Guten Abend! Nach einer kleinen Auszeit melde ich mich wieder mit einer Rezension. Heute Abend stelle ich euch das Buch «Marco und Dima» vor.
Vielen Dank an die Autorin für das Rezensionsexemplar!
Eckdaten
Titel: Marco und Dima
Autorin: Bela Vivo
Format: Taschenbuch
Seitenzahl: 226
Verlag: SP
Inhalt
Berlin 1993. Der arbeitslose Skinhead Marco macht – wie
viele andere in Deutschland – Einwanderer und Asylanten für seine missliche
Lage verantwortlich.
Eines Abends trifft er in einer Kneipe auf den jungen
Spätaussiedler Dima, der erst vor Kurzem mit seiner Familie von Russland nach
Deutschland gezogen ist. Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Yury ist Dima
voller Optimismus und will sich schnell integrieren.
Nach einem verhängnisvollen Streit mit Dima und Yury flieht
Marco ins Ausland, wo sich ihm eine neue aufregende Welt offenbart. Zeitgleich
holt ihn ein altes Geheimnis ein, das ihn letztendlich mit dem jungen
Spätaussiedler Dima verbindet.
Meine Meinung
Cover und Titel: Das Cover gefällt mir. Es sieht
professionell auf und passt gut zur Geschichte. Der Titel verrät nicht
viel über die Geschichte, ist aber passend.
! Achtung, dieser Teil der Rezension enthält Spoiler !
Schreibstil: Ein grosses Problem mit dem Schreibstil ist,
dass viel erzählt und wenig gezeigt wird. Zum Beispiel auf Seite 212: «Marcos Tod
ist wahnsinnig tragisch.» Dieser Satz
hat mich nicht dazu gebracht in Tränen auszubrechen, er hat mich eher zum
Schmunzeln gebracht. Denn wenn uns die Autorin erklärt, dass der Tod
wahnsinnig tragisch ist wieso sollen wir das glauben?
Ebenfalls gestört haben mich Füllwörter wie zum Beispiel
ziemlich. Das wirkt so unsicher. Als wollte man keine klare Aussage machen, nur
mit dem grossen Zeh ins Wasser, anstatt den Kopfsprung zu wagen.
Zu Beginn ist Marcos Ausdrucksweise gewöhnungsbedürftig, er
verschluckt Endungen und nimmt definitiv kein Blatt vor den Mund. Ich finde es
aber grossartig, dass er eine klare Ausdrucksweise hat, die sich von Dimas stark
unterscheidet. Es ist wichtig, dass beide ihre eigene Stimme haben.
Inhalt und Charaktere: Der Start war für mich schwierig.
Das Buch beginnt mit einem Infodump. Das erste Kapitel ist aus Marcos Sicht
geschrieben. Er erzählt über die Situation in Deutschland, ohne, dass etwas
passiert. Das Gleiche mit dem zweiten Kapitel aus Dimas Sicht. Ich fühlte mich
wie in meinem Geschichtsunterricht. Es geht zu lang, bis endlich etwas
passiert. Natürlich ist es wichtig, dass wir die Hintergründe der Charaktere
verstehen, aber nicht alles auf einmal. Das machte es schwierig für mich, in
die Geschichte hineinzufinden.
Die Autorin hat sich mit diesem Buch einiges vorgenommen. Es
behandelt ernste Themen wie Ausländerfeindlichkeit, Intoleranz, Gewalt und Hass. Aber manchmal habe ich der Geschichte das
einfach nicht abgekauft. Die Inhalte kommen zu oberflächlich und eindimensional
daher und wirken überspitzt.
Zum Beispiel auf Seite 35: Dima wurde angeschossen
und liegt im Sterben, er denkt «Meinetwegen tat es mir nicht wirklich leid. Es
sind schon unzählige junge Menschen gestorben, viele bereits im Kindesalter.
Warum sollte mein Tod etwas Besonderes sein?». Das ist zwar nobel, aber aus meiner
Sicht unrealistisch. Dima erscheint mir nicht wie jemand mit Todessehnsüchten
und ich wage zu bezweifeln, dass irgendeine Person, die nicht ernsthafte Probleme mit
seiner psychischen Gesundheit hat, denken würde, dass er eigene Tod keine grosse Sache ist. Auch Dimas weiteres Handeln ist davon geprägt. Er ist nicht wirklich traurig
und wütend und deshalb war ich es auch nicht. Sein Tod war mir, böse gesagt,
genauso egal wie ihm.
Überhaupt haben die Charaktere oft philosophische, komplexe
innere Monologe, die ich ihnen einfach nicht abkaufte. Zum Beispiel Marco, der
auf Seite 70 ganz nebenbei über die Käuflichkeit, Kapitalismus und unsere Blindheit
sinniert. Das wirkt aufgesetzt und seltsam.
Dima macht im Buch keine grosse Entwicklung durch, während
Marco eine komplett neue Perspektive entdeckt. Einerseits gefällt mir diese Entwicklung,
andererseits ging sie zu schnell und zu einfach. Dieser Mann hat sein ganzes
Leben von einem Hass gezehrt, der dann praktisch mit einem Fingerschnippen aus
der Welt geschafft ist? Mir fehlte der innere Konflikt, Zerrissenheit.
Ich muss sagen, das Ende habe ich nicht vorhergesehen. Ich
hätte nicht erwartet, dass Marco ebenfalls sterben würde. Was ich am Ende mag,
ist dass es den Kreislauf aufzeigt, diese Spirale der Gewalt, die immer weiterdreht.
Das ist ernüchternd, doch am Schluss gibt uns die Autorin einen kleinen Hoffnungsschimmer,
der einen das Buch Licht-am-Ende-des-Tunnels-sehend zuschlagen lässt.
! Spoiler Ende !
Fazit
Die Geschichte hat einige Probleme. Eindimensionale Charaktere,
Infodumps, Füllwörter, fehlende Konflikte und trotzdem konnte es mich am Ende
doch noch überzeugen. Das Buch lässt einem mit einem mulmigen Gefühl und trotzdem
mit Vergebung und der Hoffnung auf eine andere Welt zurück.
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